Im Interview mit Dr. Michael Stops, Speaker beim Deutschen Weiterbildungsleitungskongress 2024 in Düsseldorf. 

Erleben wir Ihrer Meinung nach einen Hype um Künstliche Intelligenz?
Ja, und viele Menschen würden sagen, dass dieser Hype nicht so schnell weggehen wird. Seit einigen Jahren schon wird mit speziellen Anwendungen der Künstlichen Intelligenz gearbeitet oder es werden stetig neue Anwendungen entwickelt. Dies hat noch mal gehörig Fahrt aufgenommen seit der Einführung von ChatGPT und der Möglichkeit des „unentgeltlichen“ Ausprobierens im Herbst 2022.

Wie sehen Sie die Entwicklungen seit der Einführung von ChatGPT? 
Es werden stetig weitere potentielle Nutzendimensionen vorhergesagt und überprüft und IT-Dienstleister suchen und entwickeln emsig Geschäftsmodelle. Öffentliche und private Unternehmen erproben oder nutzen bereits die Technologie für eher spezifische Anwendungen. Und gleichzeitig werden die Modelle nun bereits als Bestandteil der großen Hardware-Betriebssysteme und Softwarepakete kostenpflichtig angeboten. Für solche KI „unter der Motorhaube“ stellt sich künftig die Frage, ob und wie die Softwarenutzer:innen die KI-Funktionen nutzen. Und wie bewusst werden sie genutzt.

Denken Sie, dass die aktuellen Large Language Modelle ausreichend ausgereift sind? 
Hier kommt es derzeit darauf an, für welchen Zweck die Tools eingesetzt werden. Und die generelle Annahme ist wohl auch, dass über die Reife der Tools die Nutzer:Innen selbst entscheiden mögen. Spannend wird es sein zu erfahren, ob die aktuellen Large Language Modelle die Grundlage sind für General Purpose Technologien. In der Tat versprechen ja die Tools eine immense Bandbreite an Anwendungen – sei es als Auskunftsgeber, Programmierunterstützung, Schreibhilfe oder bei der Erstellung von Konzepten, um nur wenige Beispiele zu nennen. Im Detail sind die Modelle noch fehleranfällig und Nacharbeiten sind nötig. Können Sie weiterentwickelt oder müssen sie angepasst werden, um für bestimmte, spezifische Zwecke nahezu fehlerfrei Ergebnisse liefern zu können? Wenn solche Fragen beantwortet sind, werden wir auch besser wissen, inwiefern sich die aus dem Hype resultierenden Erwartungen realisieren lassen.

Welche aktuellen Erkenntnisse gibt es über die Auswirkungen der Künstlichen Intelligenz auf die Arbeitswelt?
Der Einsatz von KI ist in vielen Bereichen bisher eher ein Entwicklungsthema. Daher haben wir zunächst auch Forschung betrieben, die dabei helfen soll, unsere Erwartungen bezüglich des Eingriffs von KI in unsere bestehenden Beschäftigtenstrukturen rationaler zu umschreiben. Dabei nutzen wir Indikatoren, die auf Basis von Patentdaten zu Künstlicher Intelligenz und Tätigkeitsbeschreibungen Aussagen darüber treffen, welche beruflichen Tätigkeiten von KI-Anwendungen eher adressiert werden als andere. Dabei kann die KI sowohl Tätigkeiten übernehmen als auch unterstützen. Um zu erfahren in welchen Fällen das eine oder das andere zutrifft, müssen die tatsächlichen Anwendungen beobachtet werden. Im Zusammenspiel mit Beschäftigtendaten können wir aber zumindest Ableitungen treffen, welche Beschäftigtengruppen eher mit KI-Anwendungen zu tun haben werden.

Und welche wären das?
Insbesondere hochqualifizierte Beschäftigte führen Tätigkeiten aus, für die KI-Anwendungen potenziell eher zum Einsatz kommen können. Dabei handelt es sich häufig um (hoch-)komplexe Nicht-Routine-Tätigkeiten, die besser entlohnt werden. Und wir finden auch, dass für Tätigkeiten in Berufen, die einen hohen Anteil weiblicher Beschäftigter aufweisen, derzeit potenziell seltener KI-Anwendungen zum Einsatz kommen als für Tätigkeiten in Berufen, die einen hohen Anteil männlicher Beschäftigter aufweisen.

Wie unterscheiden und entwickeln sich Unternehmen, in denen KI zum Einsatz kommt?
Für die Vergangenheit vor der Veröffentlichung von ChatGPT finden wir, dass Betriebe mit KI-Aktivitäten sich bisher in ihrer Beschäftigungsentwicklung kaum von Betrieben ohne KI-Aktivitäten unterscheiden. Es zeigt sich lediglich ein etwas größerer Beschäftigungswachstum in hochkomplexen Berufen im Zusammenhang mit KI-Aktivitäten. Demzufolge gab es auf dem deutschen Arbeitsmarkt keine großen nachweisbaren Verdrängungseffekte in Zusammenhang mit KI. Gleichzeitig kann es aber innerbetrieblich bereits zu Aufgabenveränderungen gekommen sein. Es muss weiter beobachtet werden, inwiefern sich diese Effekte künftig verändern oder verstärken.

Dr. Michael Stops

Dr. Michael Stops ist Senior Researcher am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg. Er leitet derzeit ein Projekt zur Extraktion von Kompetenzanforderungen aus Stellenanzeigen und forscht unter anderem zu den Auswirkungen von Künstlicher Intelligenz auf den Arbeitsmarkt im Rahmen des Projektes „ai:conomics“ in Kooperation mit der Universität Maastricht. Zunächst studierte er theoretische Grundlagen für die Fachaufgaben der Bundesagentur für Arbeit an der Fachhochschule des Bundes in Mannheim. Parallel zu Tätigkeiten unter anderem in der Arbeitsvermittlung der Bundesagentur für Arbeit studierte er anschließend Volkswirtschaftslehre und Statistik an der FernUniversität Hagen. Es folgte eine Promotion an der Universität Regensburg.

Treffen Sie Herrn Dr. Stops auf dem DWLK am Montag, 04. November 2024 um 13:45 Uhr bei seinem Vortrag „Wie Künstliche Intelligenz unsere Arbeitswelt verändert“.